Diese Webseite verwendet Cookies
27.12.2023 | Kommentare: 2
Beitrag per Email empfehlenDie Angst vieler Menschen im Ahrtal vor der nächsten Flut ist zu Jahresbeginn weiterhin groß. Wo bleibt der Hochwasserschutz? Die Frage ist allerorten zu hören. Bürger von Altenburg hatten in einem „Brandbrief“ Sofortmaßnahmen gefordert. Ob das alles nicht schneller gehen kann und muss, das fragen Menschen in etlichen Orten und auch manche Bürgermeister.
Die Landrätin macht in ihrer Antwort keine Hoffnung auf schnelle Lösungen. Eine Planung für das gesamte Einzugsgebiet der Ahr sei „ein vielschichtiges und komplexes Thema, bei dem viele Aspekte zu beachten und zu klären sind. Dabei müssen auch Hochwasserschutzmaßnahmen in den einzelnen Ortslagen gut durchdacht und geplant werden, wenn sie den gewünschten Erfolg haben und Schäden vermieden werden sollen“. Diese Planung werde daher noch weit ins nächste Jahr reichen, und zu dem Zeithorizont für die sich anschließende Umsetzung der Maßnahmen lasse sich heute noch keine belastbare Aussage treffen. Retentionsflächen seien bereits geplant. Schwierig hingegen sei die Entwicklung von Evakuierungsplänen für den Notfall. Grund: Infolge der Flut habe sich die Topografie im Ahrtal verändert. „Erfahrungswerte zu Überschwemmungsbereichen bei Pegelständen und daraus abzuleitenden Maßnahmen fehlen seit der Flut. Erste Zwischenergebnisse einer eigens für die Thematik ,Warnung und Evakuierung‘ eingerichteten Arbeitsgruppe liegen bereits vor, diese müssen aber abgestimmt und verifiziert werden.“ Unabhängig davon sei jedem Einzelnen „dringendst“ zu empfehlen, „eigene Planungen und Vorkehrungen zu treffen“.
Einer, der zwar den schwierigen und in Teilen langwierigen Weg hin zu einem effektiveren Hochwasserschutz anerkennt, dagegen aber die Notwendigkeit von sofortigen Maßnahmen unterstreicht, ist Guido Orthen. Der Bürgermeister der Kreisstadt sieht hier das Umweltministerium und die Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Nord in der Bringschuld. Aufgrund der Erfahrungen aus 2021 und damit der regelmäßig erneuerten Datenlage müssten Prognosen möglich sein, die annäherungsweise Auskunft darüber geben, wie hoch das Wasser in Bad Neuenahr-Ahrweiler stehen wird, wenn bestimmte Pegelstände oder Überflutungen an der oberen und der mittleren Ahr erreicht sind.
Dominik Gieler, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Altenahr, äußert Verständnis für die Sorgen der Menschen. Das, was die VG selbst anpacken könne, also Maßnahmen an den in ihrer Verantwortung stehenden Bächen, sei auf den Weg gebracht. Ebenso sei an der Verbesserung von Kommunikationsmöglichkeiten und am „Sonderalarmplan Hochwasser der Feuerwehren der Verbandsgemeinde Altenahr“ gearbeitet worden.
Überörtliche allgemeine Hilfe und Katastrophenschutz fielen jedoch in die Zuständigkeit der Kreisverwaltung, so Gieler. Der Bürgermeister kritisiert selbst den schleppenden Fortgang in Sachen Hochwasserschutz. „Wenn ich nicht tatsächlich weiß, wo die Ahrufer am Ende liegen, wo die Ahr langläuft, dann sind uns die Hände gebunden“, so Gieler. „Die Vermessungsdaten liegen beim Land vor; ohne diese Daten und eine Geländesimulation aber können wir im Ahrtal weder sagen, ob, wann und wo wir im Fall einer weiteren Flut evakuieren müssen, noch wie die örtliche Entwicklung – von der Bebauung bis zum Bolzplatz –aussehen darf.“
Dass die Altenahrer mit ihren Sorgen vor weiteren Fluten nicht allein sind, zeigen immer mehr Initiativen, etwa in Insul, Kreuzberg und in Sinzig wo Bürger vor geraumer Zeit in Eigeninitiative zahlreiche Vorschläge für Hochwasserschutz und Regenrückhalt entwickelt haben.
In Sinzig starteten Reiner Friedsam und Ernst Straatman eine Petition an Klimaschutzministerin Katrin Eder, in der sie eine „kurzfristige, beschleunigte Erstellung des Maßnahmenkataloges zur Vorsorge und seine zügige Umsetzung“ fordern. Denn die aus ihrer Sicht größten, „rasch und kostengünstig zu behebenden Defizite bestehen in der unzureichenden Rückhaltung der Abflüsse von den land- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen (…).
Würde dieser Abfluss überwiegend zurückgehalten, bestünde keine Gefahr mehr durch weitere Starkregen und Hochwasser“. Friedsam und Straatman berufen sich auf den Bodenkundler Prof. Dietmar Schröder aus Oedingen. Sie befürchten, dass mit Ergebnissen der Enquetekommission „Zukunftsstrategien zur Katastrophenvorsorge“ nicht vor Sommer 2023 zu rechnen sei; erste Umsetzungen der Schutzmaßnahmen könnten ihrer Meinung nach beim bisherigen Tempo drei Jahre nach der Katastrophe erfolgen, die Breitenwirkung noch später.
Fazit: „Damit bleibt das Risiko einer Wiederholung der Flutkatastrophe auf Jahre bestehen.“
Quelle: Rhein-Zeitung Ausgabe Ahrweiler 27.12.2023
Die Angst vieler Menschen im Ahrtal vor der nächsten Flut ist groß
Zu Jahresbeginn berichtete die Rhein-Zeitung über die Angst vieler Menschen vor der nächsten Flut. Wo bleibt der Hochwasserschutz? Mittels Brandbriefe, Bürgerinitiativen und Online Petition versuchen sich die Betroffenen Gehör bei den zuständigen Behörden und Entscheidungsträgern zu verschaffen. Seit der Flutkatastrophe im Juli 2021 wurden bereits Millionen Euro in zahlreiche Gutachten und Gewässerwiederherstellungskonzepte investiert. Aus Mainz wurde jüngst der 1.000 Bewilligungsbescheid für das Ahrtal übergeben. Und Frau Eder verkündet, dass der Wiederaufbau 2024 Fahrt aufnimmt. Dabei geht es jedoch bisher nur um die Wiederherstellung von Infrastruktur und Gewässer.
Das erst im vergangenen Sommer vom Kreis beauftragte Hochwasserschutzkonzept für das Ahrtal werde bis Ende 2024 erstellt – so der Plan. Die Landrätin verkündete am 15.12.2023 eine Arbeitsgruppe „Wasserrückhalt auf landwirtschaftlichen Flächen“, mit einem großen Kreis an Institutionen und Behörden, werde sich erstmals im Januar 2024 treffen. Und für den Wasserrückhalt im Forst würden Grundsätze und erste Zwischenergebnisse ebenfalls Anfang 2024 erörtert. Auf die wissenschaftlich bereits nachgewiesene Wirksamkeit dieser Schutzmaßnahmen, weist der Bodenkundler Prof. Dietmar Schröder seit Sommer 2022 wiederholt die Umweltministerinnen, Landrätin und sämtliche Behörden hin.
Die Regenwasserrückhaltung in der Fläche ist eine prioritäre Maßnahme. Insbesondere an der Oberahr, mit 80% land- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen, schnell und kostengünstig umsetzbar und sorgt maßgeblich für Hochwasserschutz. Was jedoch offensichtlich fehlt, sind Köpfe und Gremien, die gezielt Entscheidungen treffen und die konkrete Umsetzung von Hochwasserschutzmaßnahmen an der Ahr auf den Weg bringen. Damit die Menschen im Ahrtal absehbar wieder ein Stück Sicherheit erhalten.
Die Angst vieler Menschen ist noch groß. Sie fordern besseren Schutz“.
Die Landrätin: „Das Problem sei vielschichtig und komplex, Schutzmaßnahmen in den einzelnen Ortslagen müssten gut durchdacht und geplant werden, Retentionsflächen seien geplant; für die Umsetzung lasse sich heute noch keine belastbare Aussage machen“.
Was sie aber heute bereits weiß und fordert sind „Katastrophenschutz und Selbstschutz“.
Also die nächste Katastrophe kommt bestimmt. Darin hat sie recht – wenn nicht die o.g. Rückhaltemaßnahmen prioritär/sofort umsetzt werden. Das aber ist möglich und muss geschehen.
Der Landkreis muss gemeinsam mit dem federführenden Umweltministerium umgehend alle verantwortlichen Akteure/Arbeitsgruppen, auch Vertreter der Bürger und Bauern zusammenrufen (s. o.) und nach ihren bisherigen Befunden und weiteren Zielsetzungen sowie Arbeitshypothesen für den Schutz der Region befragen; es ist Farbe zu bekennen. Auf der Basis dieser Ergebnisse sind die bereits vorhandenen Handlungsoptionen beschleunigt umzusetzen (z.B. die angepasste Landnutzug mit Feld – und Auenpoldern) sowie weitere/künftige Forschungs- und Umsetzungsschwerpunkte/Prioritäten festzulegen. In einer freimütigen Diskussion (unter Einbeziehung der Betroffenen) muss sich zeigen, ob wir auf dem richtigen Weg sind oder ob und wo noch Ergänzungs- und Nachholbedarf besteht. Es ist keine Zeit zu verlieren – im neuen Jahr.
Denn die nächste Hochwasserwelle braust bundesweit heran.
Sogar über Staatsgrenzen hinaus. Die Mosel z. B. muss über Frankreich, die Elbe über Tschechien und der Rhein „ab dem Reich der Bayern“ durch Rückhaltung entlastet werden. Und die Niederlande dürfen nicht übermäßig durch Maas und Rhein belastet werden. Das bedeutet:
Der EU steht eine weitere Aufgabe ins Haus. Sie muss u.a. die Anforderungen an den Erosionsschutz den neuen Klimaverhältnissen (im Rahmen von GAP und Greening) anpassen (nachschärfen) und die bestmögliche zumutbare Vermeidung von Abfluss aus den Parzellen auferlegen (an die Vergabe von Prämien binden). Forderungen und Förderungen sind also diesbezüglich zu konkretisieren – zum Wohle der Gesamtgesellschaft und damit auch von uns Bauern und unseres Bodens, den wir „gesund“ erhalten und weitergeben wollen und sollen, denn er ist uns nur vorübergehend anvertraut.