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16.11.2023 | Kommentare: 2
Beitrag per Email empfehlenVor rund zweieinhalb Jahren rauschte die Ahr durch das Tal, hinterließ mindestens 135 Tote und richtete in den Orten entlang des Flusses Schäden in Milliardenhöhe an. Seitdem ist nicht nur der Untersuchungsausschuss dabei, sich konkret mit dem Verhalten von Mitgliedern der Landesregierung sowie ihrer nachgeordneten Behörden und deren Schuld während und nach der Flutkatstrophe zu beschäftigen, sondern seit Oktober 2021 tagte auch die Enquete-Kommission zu Fragen grundsätzlichen Zukunftsstrategien zur Katastrophenvorsorge. Sie soll Möglichkeiten zum Schutz vor Extremwetterereignissen entwickeln, die auch nach 50 Jahren noch Bestand haben.
Die Mitglieder aus dem Landtag, sowie sechs weitere sachverständige Mitglieder trafen sich monatlich, um Experten zu hören. Am 30. Oktober 2023 hat die Kommission ihren Abschlussbericht verabschiedet, der nun im Dezember dem Landtag vorgestellt werden soll. Darin gelangen die Mitglieder zum Beispiel zu der Erkenntnis, dass zum Schutz vor Hochwasser und Starkregen den Gewässern mehr Raum gegeben werden müsse. Überflutungsflächen sollen vergrößert oder Deiche höher gebaut werden.
Dass die Ahr so weit über die Ufer getreten ist, sollte bei der künftigen Bauleitplanung Berücksichtigung finden. Auch in Land- und Forstwirtschaft sowie dem Weinbau sei ein Umdenken gefordert. Dies und weitere Empfehlungen werden untermauert von zahlreichen Einzelvorschlägen. Der Arbeitskreis Fluthilfe Heimersheim, hat sich bereits seit längerer Zeit ebenfalls mit diesen Fragen beschäftigt und folglich nun die Ergebnisse der Enquete-Kommission genau unter die Lupe genommen und verglichen, was bisher an Aufbau im Ahrtalgeschehen ist oder derzeit passiert.
Dabei wird mit Kritik an Bund, Land, Kreis und Kommunen nicht gespart. „Wir erleben einen mutlosen,bürokratischen Wiederaufbau, bei dem Chancen ungenutzt bleiben und viele Fehler der Vergangenheit wiederholt werden“, so heißt es in einer umfangreichen Stellungnahme des Arbeitskreises. Das Nachsehen haben die Menschen im Ahrtal, deren Leben, Zukunftschancen und Wiederaufbauinvestitionen leichtfertig aufs Spiel gesetzt würden. Insbesondere die Feststellung der Enquete-Kommission, dass den Gewässern zum Schutz vor Hochwasser und Starkregen mehr Raum gegeben werden muss und was nun, 28 Monate nach der Flut, dazu bereits umgesetzt wurde. Das Ergebnis sieht nicht gut aus.
Was für ein Ziel verfolgen hier Land, Landkreis und Kommunen? Was sind sie bereit zu finanzieren und vor Ort umzusetzen? Wie hoch erhöht man ein Ufer um es hochwassersicher zu machen? Welche Flächen stellt man zukünftig für Überflutungen zur Verfügung, um eine Verbesserung zu erzielen? Ist man bereit, den Fluss wirklich zu verbreitern, auch gegen Widerstände? Welche neuen Verhaltensvorgaben gibt es? Das sind nur einige der weiterhin offenen Fragen. Besonders im Visier ist der neu festgelegte statistische Bemessungswert„HQ100“ für Hochwasser. Dieser bezeichnet die Höhe eines statistisch gesehen alle 100 Jahre auftretenden Hochwassers. Mit HQ100 liege der Wasserabfluss der Ahr bei etwa 500 m³/Sek. und sei damit nicht einmal halb so groß, wie die Abflussmenge des Jahres 2021.
„HQ100 schützt die Menschen im Ahrtal lediglich vor einem Hochwasser der Dimension von 2016. „Ist eine Umsetzung von HQ100 als Hochwasserschutzmarke deshalb ausreichend und überhaupt sinnvoll?“, so die Frage. „Größeren Hochwassern, so wie 2021, scheint man nichts entgegensetzen zu wollen. Es entsteht der Eindruck, dass gar nicht erst versucht wird, dort wo es möglich ist, mehr Hochwasserschutz zu betreiben“, so zieht der Arbeitskreis Fluthilfe Rückschlüsse aus den Ergebnissen der Enquete-Kommission. Den Gewässern mehr Raum geben – in Heimersheim sind die Bürger bereit, der Verlegung des Bahnhaltepunktes der Ahrtalbahn zuzustimmen, um mehr Platz für die Ahr und somit für den Hochwasserschutz zu gewährleisten.
Dennoch weigerten sich die FDP-geführten Verkehrsministerien in Bund und Land beharrlich, die verkannten Potenziale zum Hochwasserschutz durch den Rückbau der B 266 von 4 auf 2-spurig umzusetzen. Durch den Rückbau würden 23.000 Quadratmeter Retentionsfläche an dem Abschnitt der B 266 entstehen. Eine Größenordnung, die andernorts im Ahrtal nur schwer zu erreichen sei.
Die Kritik trifft auch den Landesbetrieb Mobilität (LBM) Cochem. Dieser setze sich über die gegebenen Aussagen hinweg und sei derzeit dabei, die B 266 gegen weitere Ausspülung wieder zu befestigen. Mehr Raum für den Fluss bedeute auch Siedlungsrückzug und angepasste Landnutzung. „Schon wieder werde bei der B 266 versucht, eine Minderheit gegen eine Mehrheit auszuspielen und gegen jedwede Vernunft Tatsachen zu schaffen“, so beurteilen die Heimersheimer die Lage. Der Ortsbeirat als auch der Stadtrat von Bad Neuenahr-Ahrweiler hatte gegen den Wiederaufbau einer vierspurigen B 266 votiert.
Quelle: RZ-online vom 16.11.2023
Die fehler der Vergangenheit werden fortgesetzt. Ein Beispiel. In den alten Hochwasserkarten fehlten die 100jährigen Hochwässer. Unser haus wäre nach diesen karten niemals überflutet worden. Warum waren die karten so fehlerhaft? War es eine politische Entscheidng? Wollte man mehr Platz für Immobilien? Dass heute der gleiche Fehler gemacht wird, zeigt ein Blick auf die neuen Karten. Obwohl unsere haus nur 20 m von der Ahr entfernt war, hätten wir angeblich nur ein erneutes Hochwasser von unter 1m. Ganz davon aggesehen, dass die Schäden nicht viel niedriger wären, wer macht siwas? Wer trägt die Verantwortung dafür?
Mehr als 2 Jahre (Oktober 2021 – November 2023) hat die Enquete – Kommission mit elf Landtagsmitgliedern gebraucht um einen Bericht zu grundsätzlichen Zukunftsstrategien der Katastrophenvorsorge zu verfassen. Darin enthalten ist unter anderem der zukünftige Hochwasserschutz mit vergrößerten Überflutungsflächen. Diese Studie wird dann im Dezember im Landtag beraten und danach setzt sich die Bürokratie fort.
Mehr als zwei Jahre nach der Flut gibt es noch kein zusammenhängendes Hochwasserschutzkonzept für den Bereich der Ahr mit ihren Seitenzuflüssen. Im März/April 2023 wurde ein Gewässerwiederherstellungskonzept (GWK) von 5 Ing. Büros für die Ahr und ihre Seitenzuflüsse Adenauer Bach, Trierbach und Nohnerbach vorgestellt und öffentlich bekannt gemacht. Der restliche Teil bleibt zunächst außen vor. Wichtig sind für den Hochwasserschutz insbesondere die Seitenzuflüsse. Dazu gibt es ein Hochwasserschutzkonzept vom 15.09.1922 mit 17 Rückhaltemaßnahmen, die insgesamt 30 Millionen Kubikmeter Wasser zurückhalten können. Alleine damit würde sichergestellt, dass die Ahr in der Notfallsituation kein Hochwasser mehr verursacht. Dieses hervorragende Konzept aus dem Jahr 1922 wurde offensichtlich von der Kreisverwaltung nicht an die betroffenen Ingenieurbüros weitergeleitet. Zur schnellstmöglichen Verbesserung des Hochwasserschutzes hat die FWG-Fraktion im Kreistag Mitte März 2022 eine Auflistung von möglichen Retentionsräumen an die Kreisverwaltung, mit der Bitte sie an die Ingenieurbüros zwecks Überprüfung weiterzuleiten, ausgearbeitet. Diese Rückhalteräume lagen überwiegend im Bereich der Einmündungen der Seitenzuflüsse und hätten problemlos und mit geringen Kosten kurzfristig hergerichtet werden können. Was passiert? In den vorgelegten Konzepten vom 24.06.2023 sind Maßnahmen an 13 Stellen vorgesehen – die restlichen 13 Möglichkeiten wurden glattweg übersehen. Dazu fehlen im Gesamtkonzept, bis auf wenige Ausnahmen, Rückhaltebecken. Im Gewässerherstellungskonzept steht, dass in 2023 eine Prioritätenliste festgelegt und mit ersten Maßnahmen begonnen wird. Das war dann sicherlich ein Weihnachtswunsch!
Jochen Seifert, Kempenich