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04.03.2023 | Kommentare: 1
Beitrag per Email empfehlen„Seit dem Hochwasser 2016 arbeitet die Gemeinde Grafschaft vorbildlich an einer dauerhaften Verankerung der vom Hochwasser ausgehenden Gefahren im Bewusstsein der Bürgerinnen und Bürger. Das ist ein wichtiger Beitrag zur Bekämpfung der Hochwasser-Demenz“, lobte Umweltministerin Katrin Eder die Gemeinde bei der Übergabe eines Förderbescheids von knapp 1.3 Millionen Euro Millionen Euro für die Renaturierung der Aue zwischen Nierendorf und dem Deutschen Eck. Hier soll eine neue Retentionsfläche entstehen, die bis zu 44.000 Kubikmeter Wasser in der Fläche ohne Errichtung üppiger Bauwerke zurückhalten kann. Am 4. Juni 2016 ereignete sich in der Grafschaft ein Starkregenereignis, das zum Überlaufen des Hochwasserrückhaltebeckens oberhalb der Ortslage Nierendorf und in der Folge zu schweren Schäden führte, da in Gimmigen das ohnehin riesige Becken geöffnet und der Ort überflutet werden musste. Im Ort Nierendorf war nach den massiven Verwüstungen durch das Hochwasser 2016 das Bachprofil erweitert und die Uferrandzonen aufgeweitet worden. Nun startet die Maßnahme nahe Niedernierendorf, die mit der Erneuerung der L80 und der Anlage eines Radwegs zu einer Gesamtmaßnahme verbunden ist.
Von der Förderung profitiert beispielsweise das Projekt der Renaturierung des Leimersdorfer Bachs unterhalb von Nierendorf, dass aus einer Gewässerrenaturierung und einem verbesserten Hochwasserrückhalt besteht. So entsteht eine neue Retentionsfläche, die bis zu 44.000 Kubikmeter Wasser in der Fläche ohne Errichtung üppiger Bauwerke zurückhalten kann. Zusätzlich zu der Fördersumme von 1.297.500 Millionen Euro überreichte Eder einen Wiederbewilligungsbescheid in Höhe von 1.800.000 Euro. Diesen Förderbescheid hatte die Gemeinde bereits im Jahr 2021 erhalten.
Quellen:
Pressemitteilung Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität
Bericht General-Anzeiger, 04.03.2023
Die geplanten Renaturierungsmaßnahmen im Bereich des Nierendorfer Baches kosten über 4 Mio. Euro und sollen bis zu 44000 Kubikmeter Wasser zurückhalten. Es erfolge dadurch ein Schutz der Unterlieger durch die Oberlieger.
Die Ziele, Unterlieger durch Oberlieger zu schützen und Auen zu renaturieren, sind zwar „edel und gut“; aber wird mit den geplanten Maßnahmen auch eine bedeutende Rückhaltung und damit ein zuverlässiger und effizienter Schutz vor den Folgen von Starkregen und Hochwasser erreicht?
Oder wird der Abfluss nicht nur ein wenig verzögert, der Hochwasserscheitel ein wenig gebrochen? Das ist fraglos nicht unbedeutend. Doch bedeutet Renaturierung zwingend merkliche Rückhaltung? Der/dieser Auenbereich läuft doch weiterhin leer wie bisher, lediglich etwas später, denn der Überflutungsbereich wird kaum erweitert werden können. Lediglich am Ortsausgang von Nierendorf könnte durch einen Durchstich in einen Tiefenbereich eine Entlastung erfolgen.
Eine wesentliche Retention (Rückhaltung) über einige Stunden hinaus findet unter diesen Bedingungen durch Bachverlegung aber nicht statt (relativ enger Talboden des Leimersdorfer/Nierendorfer Baches ober- und unterhalb von Nierendorf, zudem besteht mit 16 % ein relativ starkes Sohlgefälle). Die ermittelten 44000 Kubikmeter „gespeichertem“ Wasser fließen deshalb rasch weiter zu den Unterliegern, da einige Mäander und Sträucher sie nicht aufhalten können und etwa erschlossene kleine Tiefenbereiche schnell gefüllt sind und dann keine Rückhaltefunktion mehr haben.
Renaturierungen sind nur ein kleiner Baustein eines benötigten komplexen Rückhaltesystems. Rückhaltungen werden in dem Artikel bezeichnenderweise auch weniger beachtet und gelobt als der Radweg und die Renaturierung. Das Hauptaugenmerk hat angesichts des hohen Förderbetrages aber der Retention/Rückhaltung zu gelten. Sie muss preiswert, dezentral und nachhaltig vornehmlich auf den Agrar- und Forstflächen erfolgen, die 80 % der Fläche ausmachen, wo also 80 % der Niederschläge fallen.
Das ist des Pudels Kern: Die Landnutzer sind die bedeutsamen/entscheidenden Oberlieger. Dort, im Eizugsgebiet des Baches, auf den großen Acker- und Obstbauflächen muss die Rückhaltung beginnen/erfolgen. Dort ist effiziente Schadensvermeidung möglich, in der Aue allenfalls teure Schadensbegrenzung – nachdem das Wasser auf seinem Weg zum Gewässer bereits Schäden angerichtet hat – an Böden, Ernten, Gewässern, Infrastruktur. Was ist also vorrangig zu tun?
1. Mit einer angemessenen, erosions- und abflussmindernden Bewirtschaftung der Acker- und Obstbauflächen kann und muss der potentielle Abfluss so weit wie möglich durch verschiedene Maßnahmen reduziert werden. Zum Eigenwohl der Bewirtschafter (Bodenschutz, der künftig ohnehin zwingend von EU-Kommission und deutscher Agrarpolitik rechtsverbindlich eingefordert werden wird. Und zum Allgemeinwohl.
2. Der dennoch auftretende Abfluss von gefährdeten Flächen muss am Unterhang durch einen Erddamm (Feldpolder) großenteils zurückgehalten werden. Mit beiden Schutzmaßnahmen werden zugleich Schlamm, Nutz- und Schadstoffe zurückgehalten – durch Sedimentation. Die „gelbe Flut“ vom Acker wird erheblich reduziert. Wasser verbleibt weitgehend auf der Fläche. Die Pflanzen benötigen es; es trägt auch zur Grundwasserneubildung und Verstetigung des Abflusses bei. Die Forstwirtschaft hat ebenfalls viele Möglichkeiten, das Wasser im Wald vor Abfluss zu schützen.
3. Der restliche Abfluss kann, wo der Talboden flacher und breiter ist, durch relativ kleine Querdämme (Auenpolder) kaskadenförmig zurückgehalten und ebenfalls genutzt werden. Querdämme sind für die Rückhaltung weit wirksamer als Renaturierungen. Gerade unterhalb von Nierendorf gibt es drei bis vier Bereiche, die durch Dämme kostengünstig zur „wirklichen“ Rückhaltung genutzt werden können und nicht nur zur Verzögerung des Abflusses durch Mäanderbildung.
4. Zudem sind größere Rückhaltebecken, wo nötig und möglich, (Nierendorfer Becken) vorzusehen. Wären die o.g. Maßnahmen, die teilweise der Gutachter Feldhoff schon während der Errichtung des Nierendorfer Beckens von den Landnutzern gefordert hat, umgesetzt worden, wäre der Überlauf nicht geschehen.
Umso dringlicher ist nun die Umsetzung der o.g. komplexen dezentralen nachhaltigen Maßnahmen. Sie müssen am Ort des Aufpralles der Regentropfen beginnen und nicht erst im Tal, nachdem schon große Schäden entstanden sind. Ohne 80 Prozent des Liefergebietes in den Bick und Bewirtschafter in die Pflicht zu nehmen, ist weder das geplante Gebiet noch die gesamte die Ahrregion effizient/kostengünstig zu schützen, bleiben alle übrigen Bemühungen Flickwerk. Denn in den engen Tälern kann nicht schadlos durchgeleitet und/oder zurückgehalten werden, was auf den großflächigen Höhen im Übermaß abfließt. Ohne Rückhaltung auf Land-und Forstflächen bleibt auch die Gefahr durch die „gelbe Flut“ für alle Betroffenen, die nicht „am Wasser gebaut haben“, (und das sind nicht wenige) bestehen. Und der Eintrag von Schadstoffen in die Gewässer und der Verlust von Boden, Nährstoffen und Ernten für die Bauern ebenfalls.
Wir dürfen also nicht viel Geld ausgeben für „halbe Sachen“, sondern, müssen mit wenig Aufwand höchstmögliche Rückhaltung anstreben, dort, wo der Regen auf den Boden fällt. Maßgebliche Förderungen müssen an entsprechend Rückhaltungen gebunden werden.
Der Frau Ministerin ist für 4 Mio. Euro zu danken. Diese Mittel sollten aber nicht im Wesentlichen durch wenig hilfreiche und teure Bachverlegungen „vergraben werden“, sondern hauptsächlich/effizient – zum Nutzen der Bauern und Bürger – für eine angemessene nachhaltige Landbewirtschaftung und die Errichtung von Feld-und Auenpoldern verwendet werden – selbst, wenn sie für die eigene Gemeinde nicht erforderlich sind. Deshalb sind Planungen immer über den eigenen Tellerrand/Kirchturm hinaus unerlässlich.
Oedingen, den 5.3.2023 Prof. Dr. Dietmar Schröder.