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Neues Gutachten legt schweres Flut-Versagen offen

22.10.2023  |  Kommentare: 2

Die Flut könnte auch 2 Jahre nach der Katastrophe wieder passieren

Ermittler müssen nun über Fortgang des Verfahrens entscheiden

Gut zwei Jahre nach der verheerenden Flutkatastrophe im Ahrtal liegt nun das endgültige Gutachten zur Schuldfrage am Tod von inzwischen 136 Opfern vor. Seit August 2021 ermittelt die Staatsanwaltschaft Koblenz gegen den damaligen Landrat Jürgen Pföhler (CDU) und den Chef des Krisenstabes (Technische Einsatzleitung) wegen fahrlässiger Tötung. Der Verdacht steht im Raum, dass die Bevölkerung zu spät vor der tödlichen Flutwelle gewarnt wurde. Doch Gutachter Dominic Gißler, wollte sich in seiner Expertise auf mehr als 190 Seiten nicht festlegen, ob durch die Einsatzleitung in der Flutnacht kapitale Fehler gemacht wurden. Vielmehr bleibt er eher vage in seiner Antwort auf die Schuldfrage.

Gutachter benennt Behörden-Fehler

Laut dem Gutachten war der Katastrophenschutz im Landkreis Ahrweiler zum Zeitpunkt der Flut nicht optimal organisiert. „Der Landkreis hat kein ausreichend entwickeltes Einsatzführungssystem vorgehalten“. Dies habe dazu geführt, dass man „dem hochkomplexen Maximalereignis am 14.07.2021 nicht angemessen begegnen“ konnte, lautet ein Resümee in dem Gutachten, das FOCUS online vorliegt.

So sei weder eine Stabsdienstordnung noch ein Einsatzführungskonzept vorzufinden gewesen. Gleiches gelte für formalisierte, systematische Abläufe. Einen Verwaltungsstab habe es auch nicht gegeben. Dieser Vorwurf ist deshalb so gravierend, weil der Landrat laut Aussagen von Angehörigen des Krisenstabs Jahre zuvor den Rat in den Wind geschlagen hatte, ein entsprechendes Leitungsgremium einzurichten. Auch bemängelt der Gutachter, dass Pföhler in der gesamten Flutnacht nicht in der Technischen Einsatzleitung (TEL) gewesen sei. Dort hätte er nach Auffassung des Professors aber hingehört.

Krisenstabschef: War faktisch auf sich alleine gestellt

„Der Gutachter bestätigt, dass der Landrat dafür verantwortlich war, dass ein Verwaltungsstab fehlte und folglich die Bewältigung der Lage wesentlich erschwert wurde“, erklärt der Anwalt des mitbeschuldigten TEL-Krisenstabschefs, Christoph Arnold, auf FOCUS-online-Anfrage. „Der Gutachter hat hierzu selbst ausgeführt, dass die TEL somit faktisch auf sich alleine gestellt war.“

Nach Angaben Arnolds wäre es aber gerade die Aufgabe eines Verwaltungsstabes gewesen, „die Warnung der Bevölkerung und deren Evakuierung in nicht überfluteten Gebieten zu übernehmen. Wenn es richtig gelaufen wäre, hätte man für die Alarmierung mehrere Stunden Zeit gehabt“.

Im Gegensatz hierzu hätte sich die technische Einsatzleitung einzig darum zu kümmern, die Rettungsmaßnahmen in den schon überschwemmten Regionen zu koordinieren, erklärt der Anwalt. „Der Sachverständige geht daher davon aus, dass die Rettung vieler Menschenleben gerade am Unterlauf nahe Sinzig möglich gewesen wäre, wenn es einen Verwaltungsstab gegeben hätte.“ Auch hätte der Landrat die Gesamtverantwortung des Einsatzes nicht auf den Krisenstabsleiter delegieren dürfen, so Arnold weiter, „weil dies rechtlich nicht zulässig ist“. Der Landrat habe daher sowohl persönlich (verbotene Delegation) als auch fachlich (kein Verwaltungsstab) die nur mangelhafte Warnung und fehlende Evakuierung der Bevölkerung zu vertreten. Pföhler treffe nicht nur eine moralische Schuld, sein Fehlverhalten sei nun auch gutachterlich festgehalten.

Landrat Pföhler wies Vorwürfe stets zurück

Der staatsanwaltschaftliche Gutachter kommt allerdings zu einem anderen Schluss. Schon die Zustände in der Technischen Einsatzleitung erschwerten seinerzeit die Rettungsarbeit. Der Stabsraum war untauglich, das Informationsmanagementsystem miserabel, das Modulare Warnsystem MoWaS wurde als Verteiler nicht genutzt, stehe in dem Gutachten. Die TEL sei personell nicht ausreichend ausgestattet gewesen, die Aus- und Fortbildung des eingesetzten Personals bezeichnete der Sachverständige als mangelhaft. Vor dem Hintergrund seien die Leute im Krisenstab völlig überfordert gewesen, „um der Erstphase eines Maximalereignisses gerecht werden zu können“. Offenbar realisierte niemand im Krisenstabskeller die dramatische Lage draußen im Ahrtal. „Ein vorausschauendes, aktives Agieren war der TEL aufgrund der ungünstigen organisatorischen Rahmenbedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr möglich“. Der Gutachter führt eine permanente Überlastung in der TEL aus, so dass die Einsatzkräfte am Ende nur scheitern konnten.

Nach zweijährigen Ermittlungen muss die Staatsanwaltschaft Koblenz nun entscheiden, wie es weiter geht. Dies Analyse durch den Berliner Katastrophenforscher, so ließ der Leitende Oberstaatsanwalt Mario Mannweiler durchblicken, bringt die Ermittlungen nicht wirklich weiter. „Das Gutachten legt das Dilemma des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens offen“. Nach dieser Prognose scheint es wenig wahrscheinlich, dass die umfangreichen Nachforschungen einer Sonderkommission zu Anklagen führen. Auch haben die Strafverfolger es versäumt, die Schuldfrage der Landesregierung und der obersten Katastrophenbehörden mit großem Nachdruck zu untersuchen. Einzig der inzwischen zurückgetretene Landesinnenminister Roger Lewentz wurde vernommen. Seine grüne Ressortkollegin Anne Spiegel, deren nachgeordnete Behörde in der Flutnacht zeitweilig falsche Hochwasserprognosen durchkabelte, blieb genauso unbehelligt wie Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD).

Quelle: Focus online 18.10.2023



2 Antworten zu “Neues Gutachten legt schweres Flut-Versagen offen”

  1. Jupp Posipal sagt:

    Nach RLP-LBKG ist der Landkreis für den Katastrophenschutz zuständig, wobei dessen oberster Funktions- und Verantwortungsträger der jeweilige Landrat (in Person!) ist.
    Da seit dem Ahrhochwasser 2016 exekutiv bzw. präventiv nicht viel (bezogen auf die damalige Herausforderung) in Bad Neuenahr/Arweile (ggf. über den Kreistag) auf dem Weg gebracht wurde, kann der sehr fürstlich entlohnte (gewählter) Stellenplaninhaber auf Zeit nicht die Auffassung vertreten, die Hochwasserkatastrophe von 2021 (und deren Konsequenzen) konnte keiner voraussehen (und somit geeignete Sofortmaßnahmen wie. u.a. Evakuieungsanordnungen sowie sehr kurzfristiges Anfordern von weiteren fachspezifischen KatS-Ressourcen) und durfte darüber hinaus im Krisenfall wie ein Bürovorgang an Untergebene delegiert werden. Auch wurde nicht das Land (bzw. ADD) vom Kreis unzweideutig zumindest aufgefordert, hier an Stelle der Landrates bzw. seiner Behördenstruktur bzw. überregional eingreifend tätig zu werden.
    Gesetzlich repräsentiert ein Landrat spätestens in Krisensituationen den handelnden Staat auf dem Gebiet der staatlichen Daseinsvorsorge. Die dann umso fragwürdiger ausfällt, je weniger vorher sich auf sowas (vgl. HW-Realität in 2016) vorbereitet wurde.
    Ein normaler Arbeitnehmer (gerage mit Führungsverantwortung) würde nach einem solchen persönlichen Versagen seine „Stelle“ und wahrscheinlich seine bis dahin aufgebaute Existenz „auf Dauer“ verlieren. Von möglichen gleichzeitig wirtschaftlich vernichtenden Schadensersatzforderungen mal ganz abgesehen.
    Während von Hochwasser sehr viel Andere Existenzen finaziell nachhaltig gefährdet oder gar zerstört wurden, kann sich ein Beamter bzw. der Landrat still und leise in eine gur bezahlte Pensionierung zurückziehen. Von einer dientlichen Rückstufung (auf eine Ruhegehalt im mittleren Dienst) nach einem abgeschlossenen Disziplinarverfahren wegen eines organisatorisch und zuständigkeitsverdrängenden Funktionsversagens habe ich noch gar nichts gehört.
    Dies muss völlig unabhängig davon betrachtet werden, ob derm Landrat ein kausaler Handlungszusammenhang z.B. mit den Ertrinkungstod in Sinzig nachgewiesen werden kann. Über 130 Hochwassertote nur in einem RLP-Kreisgebiet sollte trotz politisch gegensätzlicher Interessen der Landesregierung (wäscht weiterhin ihre Hände in Unschuld)von Rheinland-Pfalz nachhaltige Veranlassung geben, eine objektiv neutrale aber formal unzweideutige Aufarbeitung anzustreben.

  2. Hanns St. sagt:

    Die Schuldfrage dieser nund vorheriger landesregierungen ist für Betroffene unzweifelhaft. Das wissen die Verantwortlichen auch, deshalb will Frau Dreyer sich auch nicht entschuldigen. Sie soll sich ja nicht für die Natutkatasrophe entschuldigen, sondern für das (Nicht-)Handeln der landesregierung und ihrer Vorgänger. Und mit der ISB gibt es ja eine neue katastrophe, die auch Menschen, wenn nicht in den Tod, dann aber zur Verzweiflung bringen kann: keine Ansprechpartner, keine Kommunikation, kein geld, nur neue Hürden etc.
    Dabei muss das geld nach dem BGH-Urteil für den bestimmungsmäßen Zweck ausgegeben werden, sollte man mit eine UMwidmung geliebäugelt haben, so ist das nun nicht mehr möglich. Es ist doch auffallend, wie wenig von den Milliarden bisher ausgezahlt wurde.

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