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Ahrtal-Forscher: Flut könnte jederzeit wieder passieren

14.07.2023  |  Kommentare: 3

Die Flut könnte auch 2 Jahre nach der Katastrophe wieder passieren

Zwei Jahre nach der Flut: Noch immer kein Hochwasserschutzkonzept

Vor zwei Jahren wurde das Ahrtal von einer verheerenden Flut getroffen, der Wiederaufbau ist noch lange nicht abgeschlossen. Dabei ist angesichts des Klimawandels ein erneutes Hochwasser nur eine Frage der Zeit. Ahrtal-Forscher Wolfgang Büchs warnt: Die Verantwortlichen begehen dieselben Fehler nochmal.

In der Nacht vom 14. zum 15. Juli jährt sich die Flutkatastrophe an der Ahr zum zweiten Mal. Noch immer gibt es für die Menschen vor Ort viel aufzuarbeiten. Und obwohl noch immer viele Baustellen das von der Flut betroffenen Ahrtal säumen, hat sich seither viel getan – teilweise aber nicht genug. Dass der Wiederaufbau die Gefahren einer neuen Flut nicht berücksichtigt, kritisiert Wolfgang Büchs. Der Biologe forscht zur Flut im Ahrtal und hat im Interview mit FOCUS online über fehlende Lehren aus der Flut gesprochen.

„Wir wiederholen die gleichen Fehler“

FOCUS: Herr Professor Büchs, Sie sehen den Umgang mit dem Hochwasserschutz und den Bauplänen an der Ahr sehr kritisch. Sie sind „fassungslos“, schreiben Sie in Ihrer Entwurfsfassung für Ihr neues Buch. Was kritisieren Sie? Was macht Sie fassungslos?

Wolfgang Büchs: An allen Stellen im Ahrtal wird einer neuen Flut das Bett bereitet, die noch größere Auswirkungen haben könnte als 2021. Durch Einengung des Flusses, durch Versiegelungen, durch Aufschütten von Erdmaterialien, durch Maschinen, die man überall stehen hat. Man hat das Gefühl, die Entscheider behaupten „Wir machen alles schöner und größer“, dabei ist es ein Vabanque-Spiel. Es ist ein Ritt auf der Rasierklinge, weil es immer noch kein Hochwasserschutz- und kein Hochwasservorsorgekonzept gibt.

Beispiel für die Aufbaufehler

Büchs: Die Situation hinter dem Tunnel in Altenahr flussabwärts ist ein Beispiel. Dort gab es eine Haarnadelkurve, die aber enger geführt war. Es gab einen 30 Meter großen Auenstreifen. Jetzt hat man die Straße direkt bis an den Fluss geführt, so dass der Abhang steil nach unten führt. Bei einer neuen Flut würde der darunter liegende Ort Reimerzhoven die Folgen dieses „Düseneffektes“ spüren, das heißt: Durch die Einengung der Ahr fließt der Fluss noch schneller, Reimerzhoven würde bei der nächsten Flut noch stärker beschädigt als 2021.

Ein Schwerpunkt Ihrer Forschungen sind die Auswirkungen menschlichen Verhaltens auf die Landschaft. Was denken Sie, wenn Sie Arbeiten wie die in der Kurve hinter Altenahr beobachten?

Büchs: Ich halte das für sehr problematisch. Der Landkreis Ahrweiler hat mir im Juli 2022 geschrieben, dies sei ein provisorischer Zustand. Tatsächlich scheint diese Straßenführung aber zum Dauerzustand zu werden. Die Landesministerin für Wirtschaft hat die Straßenführung inzwischen sogar als modellhaft gelobt.

Irrsinnige Aufschüttung auf Versickerungsfläche der Ahr

An der Burgwiese vor Rech und weiter flussaufwärts wurde viel Erde aufgeschüttet. Dabei benötigt die Ahr offenbar genau diese Wiese als Rückhalte- und Versickerungsfläche . Sie bezeichnen diese Ignoranz in dem Manuskript zu Ihrem neuen Buch „Nach der Flut ist vor der Flut – Wie weiter an der Ahr nach 2021?“ als „Irrsinn“.

Büchs: Der Abriss der Nepomuk-Brücke in Rech unterhalb der Burgwiese – ein jahrhundertealtes Wahrzeichen für das gesamte Ahrtal – wird mit dem Schutz von Menschleben begründet. Verständlicherweise! Auf der anderen Seite werden gigantische Erdmassen flussaufwärts unmittelbar vor dem Ort abgelagert. Wenn die sich bei der nächsten Flut in Bewegung setzen, versinkt Rech im Schlamm. Hinzu kommen noch Baufahrzeuge und Baumaterial, die direkt am Fluss lagern. Das Groteske in Rech ist, dass diese fünf Meter hohen Hügel erst Anfang dieses Jahres aufgeschüttet wurden. Das ist völliger Wahnsinn!

Die Menschen an der Ahr sind derzeit nicht auf eine nächste Flut vorbereitet

Büchs: Ja, das stimmt, sie sind kaum auf eine Flut vorbereitet. Ein Problem ist:  Die Verantwortlichen trennen bei ihren Planungen zwischen Gewässerwiederherstellungskonzept und Hochwasservorsorgekonzept. Das ist widersprüchlich, weil alles, was ich im 900 Quadratkilometer großen Einzugsgebiet der Ahr mache, hochwasserschutzrelevant ist. Wenn man die Konzepte trennt, hätte man versuchen sollen, sie parallel zu entwickeln, damit man die wichtigsten Maßnahmen schneller umsetzen kann.

An vielen Stellen der Ahr wird 1:1 wieder aufgebaut

Experten sprechen davon, dass die Umsetzung von Hochwasserschutzkonzepten 15 bis 20 Jahre dauern kann. Stimmt das? Und was bedeutet dies für den Hochwasserschutz?

Büchs: Ja, die beißt die Maus keinen Faden ab. Erst müssen Sie ein Konzept entwickeln, dann müssen sie Prioritäten festlegen: Was machen Sie zuerst? Dann brauchen Sie Planungsverfahren und Umweltverträglichkeits- und andere Prüfungen und vieles mehr. Das dauert lange, das ist ja das Dilemma. Bis jetzt ist aber nicht mal ein Konzept vorhanden. Sie müssen Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Weinbau, Flusslauf berücksichtigen. Es ist sehr komplex.

Wenn man hochwasserresilient und nachhaltig bauen will, kann man dann 1:1 wieder aufbauen, so wie der Wiederaufbaufonds es fordert?

Büchs: Nein, im Gegenteil. Wenn Sie jetzt beispielsweise alle Häuser und Gebäude an der gleichen Stelle wieder aufbauen, wo sie vor der Flut standen, also im hochwassergefährdeten Bereich, schaffen Sie Fakten. Ein Hochwasservorsorgekonzept ließe sich so nicht mehr offen und optimal planen, man könnte nur noch auf die Fakten reagieren. So sieht es im Moment an vielen Stellen an der Ahr aus. Die Verantwortlichen an der Ahr und der Wiederaufbaufonds konterkarieren mit der 1:1-Wiederaufbau-Vorschrift ihren eigenen Anspruch, nachhaltigen Hochwasserschutz und nachhaltige Hochwasservorsorge zu garantieren.

„Schutzkonzepte müssen viel früher, außerhalb der Ahr greifen“

Gibt es denn positive Ansätze, etwa beim Gewässerwiederherstellungskonzept?

Büchs: Ja, die gibt es. Erstmals werden Retentionsflächen ausgewiesen, Altarme von Gewässern sollen reaktiviert werden, dem Fluss soll so mehr Raum gegeben werden, Gewässerrandstreifen sind vorgesehen, Treibgutrechen sind geplant, die bei der Flut 2021 einiges hätten verhindern können.

Gute Ansätze gibt es also. Werden sie denn umgesetzt?

Büchs: Das Problem ist: Das Konzept enthält tausende Maßnahmen. Man muss die Kernpunkte herausnehmen und sie umsetzen. Wenn auf den Retentionsflächen gebaut wird oder die Burgwiese bei Rech aufgeschüttet wird, sind diese Konzepte obsolet. Alles ist hochwasserrelevant an der Ahr, egal ob Sie ein Maisfeld anbauen oder im 500-Einwohner-Dorf Hümmel ein Dach decken. Alles beeinflusst die Hochwassersituation. Ziel muss sein, weit außerhalb der Ahr anzufangen, dort, wo von der Ahr nichts zu sehen ist, nehmen wir zum Beispiel Kelberg. Sie müssen versuchen, das Wasser auf den Hochebenen im Boden zu behalten, bevor es in das Ahrtal kommt. Die Ahr ist ja nur der Kulminationspunkt der Flut, das Hochwasser bildet sich vorher in den höher liegenden Landschaften. Das heißt, jeder Tropfen Starkregen, der nicht in die Ahr oder in die Zuflüsse fließt, ist ein guter Tropfen.

Wie muss dabei konkret vorgegangen werden?

Büchs: Die Böden auf den Hochebenen müssen entsiegelt werden. Die Landwirtschaftsproduktion muss verändert werden. Wir haben zwar viel Grünland, aber beispielsweise durch schwere Gülleschlepper ist es viel zu sehr verdichtet. Der Boden muss aufgelockert werden. Das Grünland muss durch Förderprogramme wo immer es geht in extensive Mähwiesen umgewandelt werden. Ein Beispiel für problematischen Anbau ist der Mais. Mais ist eine Reihenkultur. Gerade wenn sie in Falllinie des Hangs angelegt sind, läuft das Wasser ungehindert ab. Daher ist Mais sehr erosionsanfällig, der Boden wird mit abgeschwemmt und landet in der Ahr.

Geht es um die Flut 2021, wird vielerorts von einem „Jahrhundertereignis“ gesprochen. Wie stehen Sie zu dem Begriff?

Büchs: Das ist eine falsche Fährte. Man darf sich durch die Jährlichkeiten nicht täuschen lassen. Statistiken richten sich nicht nach dem Kalender. Hinzu kommt, dass durch die Klimaerwärmung von den Meteorologen eine höhere Frequenz von solchen Ereignissen prognostiziert wird. Es könnte also jederzeit wieder passieren.

Quelle FOCUS-online 14.07.2023



3 Antworten zu “Ahrtal-Forscher: Flut könnte jederzeit wieder passieren”

  1. Wolfgang Büchs sagt:

    Die von Ihnen in diesem Blog dankenswerterweise ebenfalls protegierte Rückhaltung von (Stark-)Regenwasser in der Fläche (inkl. Land-, Forstwirtschaft, Siedlung und Verkehr) habe ich schon im Januar 2022 in einer ausführlichen Ideensammlung an alle zuständigen Behörden und Institutionen (SGD-Nord, Landtagsabgeordnete, Umweltministerium, Kreisverwaltung, Landrätin, Leiterin der Enquete-Kommission u.v.a.m.) verschickt.
    Im Juni 2022 erschien ein kurzgefasstes Exzerpt daraus im Jahrbuch des Eifelvereins.
    Im Dezember 2022 haben wir mit mehreren Kollegen ein Buch „Spuren der Flut“ veröffentlicht, in dem die o.g. Ansätze zumindest in Teilen wiedergegeben wurden.
    Inzwischen hat sich aus o.g. Stoffsammlung vom Januar 2022 ein umfassendes (fast fertiges) Buchmanuskript mit allen möglichen Ansätzen für die Rückhaltung von Starkregen in der Fläche entwickelt.

    Genützt hat das Ganze bisher allerdings nichts – von den zuständigen Behörden wird dies zwar wahrgenommen – das ist aber auch alles.
    Die Erkenntnisse sind alle nicht neu, sondern altbekannt – sie müssten nur umgesetzt werden.
    Gehandelt wird aber, als hätte es nie eine Flut gegeben und als würde es auch nie mehr eine Flut wie 2021 geben.
    => Es ist ein Kampf gegen Windmühlen.

  2. Eckhard W. Stürzbecher sagt:

    Tolle, sachliche Arbeit!

  3. Ernst Straatman sagt:

    DIE PROFESSOREN BÜCHS UND SCHRÖDER VERTRETEN ANNÄHERND DIE GLEICHEN MEINUNGEN ZUR HERSTELLUNG EINES WIRKSAMEN SCHUTZES DES AHRTALES VOR WEITEREN FLUTEN: NÄMLICH INSBESONDERE DURCH DIE STRIKTE ZURÜCKHALTUNG DES REGENWASSERS AUF LAND- UND FORSTWIRTSCHAFTLICHEN FLÄCHEN.

    WANN FANGEN DIE VERANTWORTLICHEN AN?

    DIESE VORGEHENSWEISE HÄTTE EINE BISHER OFT ÜBERSEHENE ABER ÄUßERST GROßE WIRKUNG: MAN KÖNNTE DAVON AUSGEHEN, DAß WEITERE ÜBERFLUTUNGEN NICHT MEHR VORKOMMEN. UND DANN?: ES KÖNNTE MIT EINEM DANN NUR NOCH GANZ GERINGEM RISIKO WIEDER NAHE AN DER AHR GEBAUT UND AUFGEBAUT WERDEN.
    BEISPIELE: FEUERWEHR STANDORT IN SINZIG AN DER KÖLNER STRASSE.
    WOHNUNGSBAU IN BAD BODENDORF IM BEREICH DES ALTEN KURMITTELHAUSES.

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