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10.01.2023 | Kommentare: 0
Beitrag per Email empfehlenDie Stadt Remagen lädt am 14.1.2023 von 11-16 Uhr alle Bürger zur o.g. Beratung in die Mehrzweckhalle Unkelbach ein – ein längst überfälliger (zudem auferlegter) Akt. Denn das Starkregen-Problem besteht seit über einem Jahrzehnt und angemessene Bürgerbeteiligung ist im Begutachtungsprozess vorgeschrieben, aber nur spärlich befolgt worden. Und 50000 Euro ausgelobte Zuschüsse für „Selbsthilfe“ sind eher eine Imagepflege als eine Hilfe – angesichts der unzulänglichen Vorsorge-Maßnahmen der Stadt und der dadurch entstandenen immensen Schäden.
Darin aber hat der Bürgermeister Recht: Fehlende oder unzureichende Rechtsbestimmungen behindern effektive, effiziente Schutzmaßnahmen. Nur darf die Stadtverwaltung deswegen nicht den Kopf in den Sand und die Hände in die Taschen stecken, sondern hat die Pflicht und Schuldigkeit, bei den Verursachern der Schäden eine Vermeidung der Gefahren anzusprechen und anzufordern und den Gesetzgeber zur Anpassung der rechtlichen Bestimmungen an die akute Bedrohungslage nachdrücklich aufzufordern. Wenn Sie das ebenfalls tun, Herr Bürgermeister, sind wir schon zwei.
Die Verursacher sind von Seiten der Stadt bisher aber nur zaghaft in die Pflicht genommen worden, auch nicht im Rahmen der Begutachtungen/Hochwasserschutzkonzepte, denn darin wurden sie, die Flächennutzer/Landwirte, gar nicht beachtet und geprüft – ein unentschuldbares Versäumnis, das die Kompetenz der Auftraggeber/Behörden infrage stellt. Heute aber wird landwirtschaftlicher Sachverstand im Rahmen der Begutachtung durch die Behörden endlich eingefordert. Deshalb sind
Flächennutzer nun in des Wortes doppelter Bedeutung „betroffen“ – als geschädigte Bürger in Siedlungen, und als Ansprechpartner des (nach)fordernden Bürgermeisters.
Bürger in Siedlungen nutzen allerdings nur 10 % der Fläche. 80 % der Fläche werden land- und forstwirtschaftlich genutzt. Dort fallen 80 % der Niederschläge. Folglich müssen auch vornehmlich dort die Schutzmaßnahmen (Rückhaltungen) erfolgen, damit nicht Fremdwasser (Außengebietswasser) in die Siedlungen gelangt und dort schädigt, wie bisher. Und kurios ist: Das geschieht quasi rechtskonform, obwohl es nicht nachhaltig und verantwortbar ist. Allein dieses Versäumnis, den übermäßigen Abfluss vom Acker bei der Begutachtung nicht in den Blick zu nehmen, zeigt die „Fehlbarkeit/Unzulänglichkeit der Justiz“ und zuständigen Verwaltungen auf – aber auch die unkluge Politik der Agrarlobby (einschließlich der Beratung) die abwiegeln, statt Fehlentwicklungen abzustellen.
Einiges hat sich unter dem Druck der Ereignisse (Schäden durch Starkregen, Trockenphasen, neue, nachhaltigere Agrarpolitik im Bund und Europa) zwar bereits gebessert, zu viel liegt aber immer noch im Argen.
Jeder Bürger kann es sehen: Die „gelbe Flut“ und ihr Schlamm kommen nicht aus den Siedlungen, sie kommen weiterhin vom (ungeschützten) Acker.
Folglich muss und kann auch dort erfolgreich der Hebel angesetzt werden:
Erstens: Durch angepasste Bewirtschaftung der Acker- und Obstbauflächen. Insbesondere durch Querbewirtschaftung. Obstkulturen quer auf kleine Beete gestellt, hemmen den Abfluss, im Gefälle bilden Fahrspuren wahre Rutschbahnen. Im Ackerbau sind zusätzlich zur Querbewirtschaftung eine langzeitige Begrünung, reduzierte Bodenbearbeitung, Vermeidung von Bodenverdichtung und einiges mehr sicherzustellen. In Problemlagen ist auf Ackerbau zu verzichten, oder nur „Direktsaat“ ohne Bodenbearbeitung möglich. Dadurch können mindestens 20-30 mm der Starkregen zusätzlich zurückgehalten werden, so dass sie keine Unterlieger mehr schädigen.
Zweitens: Erdwälle (Feldpolder) an der Unterseite Abfluss-gefährdeter Flächen haben ein erhebliches Speicherpotential. Dadurch ist mindestens die gleiche Menge vorübergehend zurückzuhalten.
Drittens und viertens: Ebenfalls 20-30 mm sind jeweils in kleinen Auenbecken und in großen Rückhaltebecken (z. B. Nierendorf) zu speichern, so dass von einem Starkregen insgesamt etwa 100 mm vor Ort oder ortsnah zurückgehalten werden können. Den Rest kann das Gewässernetz schadlos bewältigen.
Zurückgehaltener Abfluss wird auch durch Sedimentation „gereinigt“ und vor allem benötigt – für die Wasserversorgung der Kulturen, die Grundwasserneubildung, die Verstetigung des Abflusses usw. Zusammenfassend: Nicht die verbesserte Durchleitung (bisherige Praxis), sondern nur die Rückhaltung kann die Gefahren durch Starkregen – wie vermeidbare Erosion und vermeidbaren Abfluss bannen. Denn wenn vom Acker nur noch wenig abfließt, kann in den Siedlungen, Bächen und Flüssen nur noch wenig ankommen.
Gemäß dieser Grundlagen und des Vorsorgeprinzips hätten die Stadt und einschlägige Behörden/Dienststellen handeln sollen. Sie sind seit einem Jahrzehnt dahingehend „beraten“/aufgefordert worden; dann wären z. B. sowohl Unkelbacher, Mehlemer und Oedinger Bürger wirksam geschützt worden, denn ein großer Teil des Schadwassers stammt von Oedinger und benachbarten Äckern und Plantagen und kann und muss dort zurückgehalten werden.
In den Siedlungen ist ebenfalls (Objekt)Schutz zu betreiben; die entscheidenden Vorkehrungen sind aber auf den großen Flächen zu treffen. Dass das bisher nicht hinreichend geschieht, ist vor allem ein Staatsversagen und Stadtversagen.
Auch die Ahrtalkatastrophe hätte wesentlich entschärft werden können, wenn im gesamten Einzugsgebiet der Ahr nach diesem „Dezentralen innovativen Oedinger Starkregen- und Hochwasser-Rückhaltesystem“ vorgegangen worden wäre. Und der gesamte Wiederaufbau bleibt bedroht, wenn nicht umgehend die Rückhaltung – wo nötig, auch in Wald und Wiesen, erfolgt.
Jedem Klippschüler muss doch einleuchten, dass Wasser, das man zurückhält, beim Unterlieger keinen Schaden mehr anrichten kann. Auch Fachleute, Bewirtschafter und Berater sollten diese platte Binsenweisheit zur Kenntnis nehmen und entsprechend reagieren/beraten/umsetzen.
Diese Problematik, Herr Bürgermeister, liegt auch dem von Ihnen angesprochenen Konflikt in Oedingen zugrunde: Die Verursacher der Abflüsse müssen das Wasser auf ihren Flächen zurückhalten. Diesen Standpunkt haben auch Gutachter des Landwirtschaftsministeriums vertreten (in einem unter Verschluss gehaltenen, statt beachteten Gutachten). Auch das federführende Ministerium Umwelt stimmt den Positionen des Autors zu, ist bei der Umsetzung allerdings zu kraftlos. Und letztlich hatte auch der Gutachter des Hochwasserschutzkonzeptes die Walllösung befürwortet. Die Realisierung ist dann aber am Widerstand eines uneinsichtigen Verursachers/Eigentümers gescheitert. Machen Sie also nicht bisher geduldige Überflutungsopfer zu Sündenböcken.
Das aber steht hinter den Anschuldigungen (unausgesprochen im benannten Artikel): Verweigerer seien einige Unterlieger gewesen. Denen wollte die Stadt das Wasser der oberliegenden Verursacher diagonal durch bestes Ackerland leiten, was die Flächen für acker- und obstbauliche Nutzung unbrauchbar gemacht hätte. Zudem wäre kein Tropfen zurückgehalten worden – ein ökonomisch wie ökologisch missratenes und misslungenes Vorhaben, das auch dem Verursacherprinzip zuwiderliefe.
Es müssen vielmehr dringlich rechtliche Grundlagen geschaffen werden, die die Flächen-Eigentümer zur Rückhaltung verpflichten, soweit sie zumutbar ist. Andernfalls muss die Ackernutzung eingeschränkt oder untersagt werden.
Vernunftbeseelt wäre/ist für Oedingen/die Wachtbergstraße und Unterlieger ausschließlich, das Schadwasser oberhalb der Wachtbergstraße durch angemessene Bewirtschaftung und einen Wall an der Unterseite des Ackers, (wo früher der nun illegal zugepflügte Graben verlief), großenteils zurückzuhalten und den Rest gesteuert über die Wachtbergstraße um den Ortskern herumzuleiten; preiswert ist dieser Schutz zudem. Den aus Erfahrung ehemals angelegten Graben durch einen Wall zu ersetzen, gebietet der Sachverstand, denn er ist viel leistungsfähiger. Weitere rückhaltende Wälle wären auf oberliegenden Flächen anzulegen. Kleine benötigte Flächen für Wälle müssen an die Kommune verpachtet werden. Verweigerern muss Regress für entstehende Schäden „durch ihren Abfluss“ oder Umwandlung in Grünland (erhebliche Pacht-Einbußen) angedroht werden. Eine einvernehmliche Lösung wäre allerdings der bessere und schnellere Weg.
Die zweitbeste Lösung ist, das Wasser auf dem Weg selbst durch einen Wall abzuleiten. Damit ist aber weiterhin die beschleunigte Zufuhr nach Mehlem verbunden und nur geringfügige Rückhaltung möglich. Und die schlechteste, unverantwortliche, bar jeden landwirtschaftlichen Sachverstandes von der Stadt konzipierte Lösung ist die Zerschneidung guter Flächen, die zudem überhaupt keine Rückhaltung ermöglichen würde. Derartigen destruktiven Maßnahmen muss die öffentliche Förderung versagt werden.
Über das „Klein-Klein des (Objekt)Schutzes“ mögen Sie, Herr Bürgermeister, auf dem Treffen am 14.1. 2023 auch diskutieren. Im Zentrum aller Bemühungen – hier und dort- sollte aber die
stehen. Die Landwirte und ihre Berater müssen an den Tisch geholt werden (inzwischen auch von den Ministerien gefordert). Sie müssen durch Fordern (die Agrarpolitik ist ohnehin auf dem Wege, zeitnah eine umweltschonende Bewirtschaftung durchzusetzen), aber auch durch Fördern aktiviert werden (zu relativ geringfügigen Umstellungen/Anpassungen zum eigenen Vorteil), um künftig Schäden wie im Ahrtal, aber auch in Oedingen zu vermeiden (2016 sind dort 40 Keller mit der gelben Flut vollgelaufen). Und nicht zuletzt sind eigene Schäden (der Bauern) an Ernte und Böden zu vermeiden.
Sie, Herr Bürgermeister und Ihre Experten, haben die Möglichkeit, diese Zielsetzung in Unkelbach mit allem Nachdruck vorzutragen – und bisheriger Bedenkenträgerei abzuschwören. Schwierigkeiten sind zu überwinden, statt zu ignorieren oder vor ihnen zu kapitulieren.
Denn wenn nicht eine substantielle Rückhaltung in den Gefahr bringenden Einzugsgebieten durchgesetzt wird, bleiben die übrigen Schutzmaßnahmen unvollkommen und bleiben die Region und ihr Wiederaufbau weiterhin bedroht.
Die Wachtbergstraße und tiefer liegende Areale brauchen also einen ähnlichen Wall, (aber mit Rückhaltefunktion, statt Ableitung auf die Straße) wie er oberhalb Ihres Grundstückes errichtet wurde – binnen kurzer Frist. Details, u.a. Gegengefälle, zu einer Beispiel gebenden Lösung können wir (gemeinsam mit Ihren Sachverständigen) gerne vor Ort (nochmals) besprechen und mit minimalem Aufwand augenblicklich umsetzen. Wo ein Wille ist, ist auch ein Wall möglich. Und ein Gebüsch darauf, ergibt ein schönes neues Biotop.
Oedingen den 27.12.2022. Prof Dr. Dietmar Schröder, Bauer, Bodenkundler und engagierter Bürger